Nach den terminreichen und anstrengenden Wochen zum Schuljahresende erschien es mir eine ausgesprochen gute Idee, die Sommerferien mit einem Achtsamkeitsseminar, angeboten vom LV Baden-Württemberg, zu beginnen.

Ein wenig Sorgen bereitete mir anfangs, dass die Referentin keine Stotternde war, ich überlegte jedoch, dass eine Person, die sich mit Achtsamkeit auskennt und umgibt, bestimmt auch sorgsam mit Menschen, die stottern, umgehen würde. Und natürlich war das so. Bärbel Siegfahrt hat eine ruhige, offene und freundliche Ausstrahlung und ist sehr kompetent. Mit ihrer angenehmen, leisen Stimme führte sie nicht nur wunderbar durch Meditationen und Bodyscans, sie erklärte auch die theoretischen Teile interessant und unterstrich sie mit Beispielen. Beeindruckt hat mich die Rosinenübung, die wir in der ersten Einheit versuchen durften. Ich habe sie unten angehängt. Sie eignet sich sehr schön als Einstieg in das Thema Achtsamkeit und macht alle Elemente der Achtsamkeitspraxis unmittelbar am eigenen Leib spürbar. Von Freitagabend an fühlte ich eine große Entspannung und auch Gelassenheit. Ich konnte mich leicht auf die Meditationen, Achtsamkeitsübungen, Bodyscans, etc. einlassen und wollte noch viel mehr theoretisches Grundwissen hören. Die Gruppe, bestehend aus 12 Personen, tat ihr Übriges dazu. Die vier Frauen und acht Männer waren offen, Neues zu erfahren und Gefühlen, die entstanden, zu begegnen, sie auszusprechen und anzunehmen.

Am Sonntagmorgen sollte vom Aufstehen bis nach der ersten Übungseinheit geschwiegen werden. Obwohl ich etwas Bedenken hatte, wie ich auf andere wirken würde, wenn ich nicht grüßte oder sie erst gar nicht ansah, wollte ich die Schweigeaufgabe durchhalten. Ich empfand sie für mich sehr entlastend: Keinen Smalltalk beim Frühstück, keine Höflichkeitsfloskeln, keine Blocks oder andere Symptome. Dafür: Muße, sich den Blick auf den Rhein zu gönnen, in Ruhe und Achtsamkeit das Essen zu genießen – schlicht, den Moment wahrzunehmen. Ich wünsche mir ein weiteres Achtsamkeitsseminar mit Bärbel Siegfahrt. Gerne in Mannheim in dieser gut ausgestatteten Jugendherberge mit der direkten Lage am Rhein.

Roßdorf ,im Juli 2019, Susanne S.


Beeindruckende Rosinenübung zum Nachmachen

Für alle, die noch keine Erfahrungen mit Achtsamkeit gemacht haben, eignet sich die Rosinenübung als Einstieg. Sie macht alle Elemente der Achtsamkeitspraxis unmittelbar am eigenen Leib spürbar.

Für die Übung brauchst Du:

  • 10 Minuten während der Du ungestört bist

  • drei Rosinen (oder etwas Ähnliches z.B. drei Gummibärchen oder drei Stücke eines Apfels)

  • eine Sitzgelegenheit

  • alle 5 Sinne beisammen

Zieh Dich also mit Deinen Rosinen zurück, setze Dich entspannt hin und iss jede Rosine einzeln. Akzeptiere alle entstehenden Sinnesempfindungen, Gedanken und Gefühle und gib ihnen ihren Raum.

Sollte deine Aufmerksamkeit von der Rosine weg wandern führe sie einfach freundlich wieder zu ihr zurück.

Tasten

Du hältst die Rosine in der Hand, schließt die Augen und ertastest die Rosine. Spüre die Rosine zwischen deinen Fingern und versuche zu beschreiben, wie sich die Rosine anfühlt. Einige Wörter, die dir dabei in den Sinn kommen könnten sind: rau, trocken, glatt, klebrig, dünn, prall, elastisch. Betrachte alle Wahrnehmungen, die dir in den Sinn kommen, mit Neugier.

Hören

Nimm die Rosine an dein Ohr und entdecke die Geräusche, die sie macht. Kannst du überhaupt etwas hören? Oder vielleicht nur, wenn Du sie bewegst? Wie würdest Du die Töne beschreiben? Als Knistern, Knacken oder …? Ist der Ton laut, dumpf oder…? Höre auch mit dem anderen Ohr!

Riechen

Beschnuppere die Rosine und sei wachsam für die Begriffe, die Dir durch den Kopf gehen. Gibt es Unterschiede zwischen den Empfindungen der beiden Nasenlöcher? Ändert sich die Intensität des Geruchs? Mögliche Adjektive: scharf, süß, fettig, ranzig, modrig, sauer.

Sehen

Öffne die Augen und entdecke mit Ihnen die Rosine aus verschiedenen Blickwinkeln und verschiedenen Entfernungen. Wie würdest Du mir die Rosine am Telefon beschreiben hinsichtlich Farbe, Oberfläche, Schattierungen, Glanz? Nimm dir dafür so viel Zeit wie du brauchst, stell dir vor ich hätte noch nie eine Rosine gesehen.

Schmecken

Führe die Rosine zu den Lippen und ertaste sie damit, versuche die Rosine mit den Lippen zu bewegen. Regen sich bereits die Geschmacksnerven? Nimm die Rosine langsam in den Mund aber lasse sie vorerst ganz! Untersuche die Oberfläche mit der Zunge, bewege sie durch den Mund, zum Beispiel am Gaumen entlang. Bleibe offen und neugierig für alle Sinneswahrnehmungen. Ändert sich die Konsistenz der Rosine? Platziere die Rosine bewusst auf den Backenzähnen – Lust zu zubeißen? Noch nicht! Nimm dir explizit vor, zu zubeißen zerkaue sie dann in Zeitlupe und registriere die entstehenden Empfindungen (Drang zu schlucken?) und Geschmacksnoten. Kaue bis zum letzten spürbaren Bissen, bereite das Herunterschlucken vor und beobachte den Vorgangs des Schluckens. Spürst du die Bewegung beginnend hinten am Rachen bis hinunter zum Magen? Ist wirklich die ganze Rosine weg oder sind noch Reste im Mund?

Wiederholung

Versuche dir für die zweite Rosine genau so viel Zeit zu nehmen ohne im Detail über den Ablauf nachzudenken. Die dritte Rosine isst Du so, wie Du normalerweise eine Rosine essen würdest. Vergleiche dabei die Empfindungen Gedanken und Gefühle mit den vorherigen Durchgängen.

Ende

Bleib noch kurz ruhig sitzen und beobachte die Gedanken, die entstehen.

Fazit:

An der Rosinenübung lassen sich sehr schön die drei Grundprinzipien der Achtsamkeit verdeutlichen.

Absichtsvoll sein:
Du nimmst Dir bewusst Zeit und willst die Rosine genießen – nicht mehr aber auch nicht weniger!

Jetzt! Hier! handeln:
Die Rosine nimmt deine ganze Aufmerksamkeit ein, du bist weder von der Vergangenheit abgelenkt noch auf die Zukunft konzentriert.

Nicht werten:
Dieser Punkt fällt mir immer am schwersten. Ob die Rosine ”gut” schmeckt oder ”sauer” ist ein wesentlicher Unterschied.


Dein Ansprechpartner: Dr. Martin Seefeld
E-Mail: info@stottern-bw.de
Telefon: 0176 52677372