
Keys – Schlüsselmomente
Was empfinden wir als „abnormal“? …
Ab wann gilt man als „behindert“?…
Unterstützt durch eine großzügige Förderung der AOK Baden-Württemberg unterstützt der Landesverband Baden-Württemberg das Regie-Debut von Mirjam Morlok in Zusammenarbeit mit dem Theater-Kollektiv DramaLamaDingDong e.V. dabei den Kurzfilm „Keys – Schlüsselmomente“ mit professionellem Anspruch auf die Beine zu stellen. Nach Fertigstellung soll „Keys“ deutschlandweit auf kleinen aber feinen regionalen Filmfestivals und schließlich auch auf der Berlinale 2023 gezeigt werden. „Meine Absicht ist es, einen Film zu drehen, der den Zeitgeist aufgreift und enttabuisiert […] mit und nicht nur über Menschen […], um maximale Aufmerksamkeit zu erregen bzgl. der Frage: „Ist mein Normal eigentlich noch normal?“
Die Grenzen von dem, was wir „Normalität“ nennen, sind fließend, die Wahrnehmung von Beschränkung, Beeinträchtigung oder Behinderung sind subjektiv. Der Kurzfilm „Keys – Schlüsselmomente“ nimmt sich dieses Spannungsfeldes an, hält Aspekte aus diesem Themen-Spektrum fest, und stößt auf unterschiedlichen Ebenen zum Nachdenken, Reflektieren und Diskutieren an.
Wir alle wissen, dass das Leben Licht- und Schatten-Seiten bietet: Ein Tag fühlt sich besser an als ein anderer. Zudem hat jeder (s)ein Päckchen zu tragen: Eine gesundheitliche Einschränkung oder ein traumatischer Schicksalsschlag können eine kurzfristige oder lebenslange Belastung darstellen. Und obwohl diese Facetten des Lebens jede und jeden von uns betrifft, ertappt wir uns dennoch in bestimmten Momenten dabei andere Menschen unreflektiert in Schubladen zu stecken, mit dem Label „unnormal“. „Wieso ist mein Normal nicht deins?“ stößt Morlok mit ihrem Film-Projekt zum Nachdenken an. Wenn alle von uns ihre (un-)sichtbaren Herausforderungen mit sich tragen, warum tendieren wir dennoch dazu Menschen zu bewerten, zu kategorisieren und zu verurteilt? „Was, wenn die Norm nicht eingehalten werden kann; wenn man zu einer Art von Andersartigkeit gezwungen ist?“ fragt Morlok die Zuschauer fordernd. Das Film-Projekt „Keys“ setzt sich mit Menschen auseinander, die umdenken müssen, da sie aus der „Norm“ fallen, die irritieren und die selbst auch leiden. „Keys“ verdeutlicht deren Sicht auf Normalität, mit der sie sich ungefragt auseinandersetzen müssen, da sie nicht dem privilegierten Teil der Gesellschaft angehören, der es nicht zwingend nötig hat innezuhalten oder umzudenken.
Gemeinsam mit einer talentierten Schauspielerin, die selber zum Kreise der stotternden Menschen zählt, und die sich für diese Produktion in beratender Funktion und als Protagonistin zur Verfügung gestellt hat, soll zum Innehalten und Umdenken eingeladen werden. Sie zeigt einen Einblick in das Leben von Jacky: Jacky ist KFZ-Mechanikerin. Sie liebt ihre Freunde und muss mit einer für sie bedrückenden Beeinträchtigung leben: Sie stottert. Manchmal so stark, dass sie die „einfachsten“ Sachen nicht aussprechen kann. Nette Ratschläge wie „Sag’s doch einfach!“ helfen da nicht weiter. Um diesen (Rat-) Schlägen zu entgehen, ist Jacky meist still… und genervt. Sie ist die einzige Frau in der Werkstatt. Ihr Meister legt ihr trotz aller Verschwiegenheit nahe selbst den Meister zu machen: „Du wärest eine ideale Ausbilderin in meiner Werkstatt“, betont er. Jacky wollte eigentlich nie wieder zur Schule; Vorträge jeglicher Art sind für sie der Horror. Soll sie sich das nochmal antun? Und würden ihre Kollegen das annehmen? So spontan und unverhofft muss sie sich das erst einmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen – auf dem stillen Örtchen. In der Werkstatt gibt es nur eine Toilette. In ihre Gedanken versunken, das Für und Wider abwiegend, muss sie – wie so oft – mit anhören, wie ihre männlichen Kollegen über sie herziehen: Nicht besonders böswillig, klar. Sie sind genervt, hätten gerne „eine Kollegin, mit der man sich unterhalten kann“. Und ein „Sag’s halt einfach“ hilft Jacky nicht weiter. Auch nicht die überfreundliche Bäckerei-Verkäuferin oder ihre Freundin, die ihr rät sich gegen die Ratschläge der Kollegen zu wehren. Das klappt nämlich eher schlecht als recht. Während sie innerlich mit ihren Kollegen abrechnet, wechselt sie zur öffentlichen Toilette gegenüber – mit Damen-Toilette; ein Ort um eine Entscheidung zu finden. „Sich weiterentwickeln und den Meister machen oder Ruhe haben und dort bleiben, wo sie ist?“ fragt sich die Protagonistin in der Kabine. Toiletten: die stillen Örtchen zum Nachdenken, Abschalten. Sich anstrengen, Drücken. Sich verstecken. Heulen. Durchatmen. Fingernägel lackieren. Alleine sein oder auch nicht. Privatsphäre. Auf dem Klo sind wir alle gleich, ohne Privileg. Niemand kommt da drum herum; da müssen alle durch. Und manchmal hat man oder frau eben hier einen stillen Durchbruch – Schlüsselmomente.
Wir vom Landesverband Baden-Württemberg freuen uns sehr, dass wir dieses Projekt zusammen mit DramaLamaDingDong als Exklusiv-Partner mit unterstützen können und so die Herausforderungen, die sich mit stotterndem Sprechen ergeben können, einer breiten Öffentlichkeit ermöglichen. So durfte ich an zwei Drehtagen in Ulm am Set mit dabei sein, um den Profis beim Entstehen des Video-Materials über die Schulter zu schauen. So bald „Keys“ fertiggestellt ist und auf Promo-Tour geht, bin ich dokumentarisch mit dabei, und halte Euch über die Geschehnisse und Entwicklungen auf dem Laufenden.
Textrechte bei Martin Seefeld
Bildrechte bei Benjamin Krauss und Martin Seefeld
DramaLamaDingDong e.V.:
…ist ein interdisziplinäres und integratives Künstlerkollektiv aus Ulm. „Wir, die DramaLamas, sind jung, bunt, und wir weigern uns auf den gesellschaftlichen Konventionswiesen zu grasen. DramaLamaDingDong e.V. entstand in Zeiten wie diesen, um dem Schnellkochtopf der Theaterhierarchien zu entkommen. Ohne Deckel an der Spitze und fließband-artigen Premieren-Produktionen wollen wir der Kreativität, dem Diskurs und unserem Potential sowie der Vielfalt ihren Spielplatz zurückgeben. Jedes von uns DramaLamas bringt sich mit individuellen Fähigkeiten, Expertisen und persönlichem Hintergrund im künstlerischen Entstehungs-Prozess ein. Wir gehen dafür los, immer wieder vielfältig sinnliche Erfahrungsräume zu erschaffen, die bunt sind wie die Künstler*Innen und Zuschauer*Innen selbst.“
In diesem Sinne: Lassen Sie sich ermutigen und erreichen von diesem Film, der für all diejenigen ist, die sich normal fühlen, aber nicht dem Querschnitt der Bevölkerung entsprechen – oder vielleicht doch?!
Dein Ansprechpartner: Dr. Martin Seefeld
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